eigentlich wollte ich was über das gallery weekend schreiben. nachdem jetzt schon wieder eine woche rum ist und schon alle darüber geschrieben habe, langweilt mich das und ich muss hier ja zum glück nix machen, was mich langweilt.
dann stiess ich vor ein paar tagen auf den text, „reclaiming art“ von holm friebe. sie können ja mal versuchen, ihn zu lesen. mir ist es leider nicht so wirklich gelungen.
mir geht es aber eh nur um die zweite hälfte des textes in der friebe die parallel zum gallery weekend veranstaltete ausstellung, „ngorongoro“ oder auch „artist weekend“, gewissermassen als revolution der kunst beschwört.
mir hatte die ausstellung eigentlich auch ganz gut gefallen – bis ich friebes text dazu, naja, las und ein bischen darüber nachdachte.
die ersten 2 tage des gallery weekends bin ich noch wie jedes jahr tranceartig durch die galerien getrottet. weil man die wände im gedränge der touristenkaravanen schlecht erkennen konnte lauschte ich einfach den führern, die alles aufs gründlichste beschrieben. ansonsten waren die schönsten momente wie immer die sitzpausen.
mein handy piepte dabei in einer tour und legte mir nahe, dass ich mich offensichtlich auf der falschen party befand:
„warst du schon bei ngorongoro? soll gut sein.“
„ich geh morgen nochmal zu ngorongoro, heute nicht alles geschafft.“
„wir machen nen familienausflug zu ngorongoro, die kinder wollen baden.“
was war also nogorongoro / das artist weekend? erstmal eine riesige gruppenausstellung mit ca. 130 teilnehmern auf 6000 quadratmetern.
unter den ca. 130 teilnehmern waren nur ca. 30 frauen und unter den 6 veranstaltern garkeine, also spare ich mir einfach mal das binnen-I.
grundstück und gebäude, eine ehemalige halbleiterfabrik, gehören dem maler jonas burgert, der die räumlichkeiten an eine galerie und als ateliers an andere künstler vermietet, mit denen er auch die ausstellung organisiert hat.
und sie war toll. ein buntes kuddel-muddel an zeug, das auch ohne handout funktioniert, ohne personal, das einem alles erklärt, sogar das, was man selber sieht. viele schöne pointen, viel handwerk und viel schnell zu erfassende, vermeidlich leichte kost – sachen, die auf den ersten blick simpel aussehen und es dann trotzdem irgendwie hinbekommen, dass man nicht gleich weiter rennt, weil man ahnt, dass man sich geirrt hat.
nach 2 tagen schicke mitte-sterilität war dies natürlich eine wohltat. trotz hundert-meter-langer warteschlange fühlte ich mich sofort heimisch. an solchen orten, in schrammeligen ateliers und off-spaces, hat man sich schliesslich die letzten 20 jahre aufgehalten. orte, wo kunst entstehen kann ohne sich einem markt unterordnen zu müssen.
in galerien ist das natürlich anders. dort entsteht kunst nicht, aber das braucht sie ja auch nicht. man kann sich zwar darüber lustig machen, dass man sich in manchen berliner galerie-prachtbauten schon fragen muss, ob die kunst hier eigentlich nur zur dekoration hängt, ob es ein zufall ist, dass helmut newton in räumen gezeigt wird, die aussehen wie eine gynäkologenpraxis oder ob ein schlauchförmiges tauchbecken wie der untere showroom von eigen + art wirklich so gut funktioniert für 2 meter hohe gemälde, aber galerien sind eben orte des verkaufs und erfüllen damit erstmal eine funktion.
bei friebe klingt das aber irgendwie anders:
schon jetzt steht fest, dass das Artist Weekend, sollte es in Serie gehen, die kommerziell angeschnödete Galerienkunst vor sich her treiben und an die Wand drücken wird.
da frage ich mich, welche „kommerziell angeschnödete galerienkunst“ er meint. die künstlerliste des „artist weekends“ liest sich geradezu wie ein best-of der berliner galerienkunst.
meint friebe, dass arbeiten von martin eder bei eigen+art schnöde und kommerziell wirken und sich an einer shabby-schicken ruinenwand hängend in autonome galeriekunst-killer verwandeln?
für friebe hat letztens wochenende jedenfalls die revolution der kunst stattgefunden. er findet, die ausstellung sei
[…]ein Handstreich, eine Überrumpelung, eine Klatsche für die gesamte borniert-arrivierte Kunstwelt, in der mächtige Sammler- und Galleristencliquen das Sagen haben und mit dem prallgefüllten Portemonnaie Politik gemacht wird. Das Racket-System der verwalteten und in Claims aufgeteilten Kunstwelt wird sich von diesem Schlag auf den Musikknochen nicht so ohne weiteres erholen, und die Kunstwelt wird ab heute eine andere sein.
ich finde diesen enthusiasmus ja bewundernswert und auch das schimpfen gegen mächtige galeristen-clans und gierige sammler, da stimme ich jederzeit gerne ein, dass aber diese ausstellung das alles geändert hat kann ich mir so wenig vorstellen wie ich an die wirksamkeit von schokoladendiäten glaube.
Ist das Kunst? Das können wir auch und das können wir besser, dachten sich unsere Gefährten und aktivierten die Power, die im Netzwerk steckt: in der globalen Solidargemeinschaft sehr erfolgreicher und minder erfolgreicher Künstlerinnen, denen die wachsende Definitionsmacht von Galeristen und Kuratoren darüber, was denn bitteschön als Kunst zu gelten habe, zunehmend auf den Zeiger geht. Cut out the middlemen! Das Artist Weekend war geboren, zumindest im Kopf.
achja, dieser netzwerk-quatsch!
der wird auch schon im presstext als eine art alleinstellungsmerkmal verkauft. dort steht:
Die Kombination[…] mag disparat erscheinen, verweist aber tatsächlich sehr prägnant auf ein Phänomen, dessen Bedeutung bislang kaum thematisiert wird: der Einfluss der von Künstlern untereinander gebildeten Netzwerke.
Die Auswahl der Künstler erfolgt nicht nach üblichen kuratorischen Parametern wie konzeptionellen, diskursgetriebenen oder formalen Klammern, sondern intuitiv. Es entsteht eine hierarchielose Konfrontation, die das künstlerische Koordinatensystem der Akteure und die Kraft ihres Netzwerkes illustriert.
netzwerke als ein bisher kaum thematisiertes phänomen? vielleicht in pr-texten.
falls es einen konzeptionellen unterschied gibt zwischen ngrorongoro und anderen ausstellungen dann wohl den, das ngrorongoro das mit den netzwerken gewissermassen zu einer tugend umdeutet.
austellungen, galerien, das ganze „Racket-System der verwalteten und in Claims aufgeteilten Kunstwelt“ sind von netzwerken durchwoben. und eine ausstellung, die das netzwerk zum konzept erklärt, kann man vielleicht mit einem kuchen vergleichen, dessen qualitätsmerkmal der hefegeschmack ist. zu einer revolution der backkunst führt so ein kuchen wohl eher nicht.
ich hab selbst schon an vielen ausstellungen teilgenommen, deren kuratorisches konzept allein darin bestand, dass man befreundet war. ich finde das legitim, zumal auch ich die üblichen konstruierten konzepte selten ertrage und der abwendung der aufmerksamkeit von der künstlerIn hin zur kuratorIn schon aus eigennutz nicht so viel abgewinnen kann.
ein heilmittel für die korrupte kunstwelt ist das netzwerkprinzip aber ganz sicher nicht. die netzwerke von künstlerInnen sind ja zum teil ebenfalls korrumpiert und systembejahend. hier dreht sich auch alles um macht und erfolg und netzwerke dienen dazu, dies zu erreichen, mit kunst hat das nichts zu tun. wer als künstlerIn erfolgreich sein will oder die eigene position manifestieren organisiert ausstellungen mit möglichst vielen erfolgreichen kollegInnen, das weiss man bei ngorongoro auch.
überfliegt man dann noch die fast übertrieben prominente teilnehmerliste erscheint das gestelzte gerede von einer „hierarchielosen Konfrontation, die das künstlerische Koordinatensystem der Akteure und die Kraft ihres Netzwerkes illustriert“, nicht gerade glaubwürdig.
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schade. hätten sie geschrieben: „wir stellen unsere freunde aus, besonders die berühmten.“ hätt ichs witzig gefunden.
friebes text liest sich jedenfalls weiterhin so, als wäre er seiner eigenen faszination für erfolg und macht und große gesten auf den leim gegangen:
Angefangen hat alles damit, dass die kommerziell sehr erfolgreichen Künstler […] das 6000 Quadratmeter messende Immobilienensemble […] zum Stützpunkt für ein neues Lebens- und Kunstmodell aufrüsteten. Dazu gehört etwa der 18-Meter-Pool, den sich Andreas Golder von einem Architekten in den Innenhof betonieren ließ, „weil es geht“, und der jetzt, frisch befüllt, auf Partygäste wartet. Dazu gehört auch die in dem Areal entstandene Künstlerkommune, die arbeitsteilig hochprofessionell Rituale wie das gemeinschaftliche Mittagessen pflegt.
man wartet eigentlich die ganze zeit nur darauf, dass noch ein paar cowboys durchs bild reiten und in ihrer „show der superlative“, im kampf die gegen galeriekunst luftschüsse abgeben und „hey-ho“ rufen.
naja. vielleicht stört mich auch nur, dass nur so wenig frauen eingeladen wurden, was friebe natürlich auch mit keinem wort erwähnt hat.
netzwerke eben.